Nach mehreren Jahren mit steigenden Zinsen hat die Europäische Zentralbank (EZB) im Juni 2024 erstmals eine Zinssenkung beschlossen. Auch in den USA wird noch 2024 damit gerechnet, dass die FED den Leitzins senkt. Diese Lockerung der Geldpolitik ist eine Folge der zurückgehenden Inflation. Aus fallenden Zinsen ergeben sich zahlreiche Auswirkungen für Sparer und Anleger. Wir erklären dir, welche Konsequenzen sinkende Zinsen auf Tagesgeld, Aktien, Kredite und Co. haben.
Wovon hängt die Höhe der Zinsen ab?
Wenn in den Medien die Rede von Zinssenkungen ist, geht es dabei in der Regel um die drei Leitzinsen der EZB. Sinken die Leitzinsen, hat das auch unmittelbare Auswirkungen auf deine Anlagen in Tagesgeld oder Anleihen, weil die Banken die niedrigeren Zinsen direkt oder indirekt an die Sparer weiterreichen, und mittelbare Auswirkungen auf deine anderen Investments, zum Beispiel in Aktien oder ETFs.
Die Höhe der Leitzinsen selbst wird von der EZB beschlossen. Wenn die europäischen Währungshüter die Wirtschaft ankurbeln wollen – wie zum Beispiel nach der Bankenkrise 2008 oder in der Gesundheitskrise 2020 – werden die Zinsen niedrig gehalten oder gesenkt, um die Kaufkraft der Privatpersonen zu steigern, den Konsum anzuregen und somit die Wirtschaft zu stärken. Genauso kann der Leitzins dazu eingesetzt werden, um eine steigende Inflation einzugrenzen – dann steigen die Zinsen.
Die Europäische Zentralbank kann also durch steigende und fallende Zinsen gezielt Einfluss auf die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung im Euroraum nehmen.
Warum fallen die Zinsen?
Die Notenbanken senken die Zinsen, um das Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln. Nachdem sich durch die Zinserhöhungen das Wirtschaftswachstum verlangsamt hat und die Inflation gedeckelt worden ist, erhöhen sinkende Zinsen die Nachfrage.
Durch günstigere Kredite sollen die Verbraucher dazu animiert werden, mehr Geld auszugeben und somit die Einnahmen der Wirtschaft zu erhöhen. Diese kann dann wiederum neue Arbeitsplätze schaffen und damit mehr Menschen zu einem Einkommen verhelfen, die dann wiederum mehr konsumieren. Zudem können sich auch Unternehmen durch fallende Zinsen leichter Geld für Investitionen leihen.
Bis dieser wirtschaftliche Zyklus beginnt, kann jedoch einige Zeit vergehen, da Anleger und Verbraucher zunächst darauf warten, ob weitere Zinssenkungen folgen. Das wiederum würde beispielsweise dafür sorgen, dass neue Baufinanzierungen nicht sofort, sondern zeitlich versetzt abgeschlossen werden.
1. Auswirkung von sinkenden Zinsen auf Tagesgeld, Festgeld und Sparkonten
Die Konsequenz aus sinkenden Zinsen ist, dass du weniger Zinsen auf dein Geld auf dem Tagesgeldkonto, Festgeldkonto und Sparbuch erhältst. Das liegt daran, dass sich die Banken am geltenden Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) orientieren und diesen dann komplett oder anteilig an die Kunden weitergeben.
Mit der ersten Zinssenkung im Juni 2024 hat beispielsweise Trade Republic die Zinsen von 4,0 auf 3,75 Prozent gesenkt – weitere Anbieter könnten folgen, vor allem wenn weitere Zinssenkungen kommen.
💡 Hinweis
Solange sich die Leitzinsen auf einem verhältnismäßig hohen Niveau befinden, kann es sich für mittel- und langfristig orientierte Sparer lohnen, noch ein mehrjähriges Festgeld abzuschließen, um sich die Zinsen zu sichern. Hier geht es zu unserem Festgeldvergleich.
2. Auswirkung von fallenden Zinsen auf den Aktienmarkt
Auf den Aktienmarkt haben fallende Zinsen zunächst einmal positive Auswirkungen. Das liegt daran, dass sinkende Zinsen dazu führen, dass Firmen und börsennotierte Unternehmen für geringere Kosten neue Kredite aufnehmen können.
Dieses Geld kann dann gewinnbringend investiert werden, was (hoffentlich) die Gewinne der Unternehmen steigert. Das wiederum könnte zu steigenden Aktienkursen führen.
Während Firmen aus der Finanzbranche unter fallenden Zinsen leiden, weil ihre Gewinnmarge geringer wird, können sich Unternehmen, die noch nicht profitabel sind und an der Expansion arbeiten (zum Beispiel Start-ups oder junge Unternehmen aus dem Technologiesektor) von fallenden Zinsen profitieren, weil sie sich günstiger Geld leihen können.
Dadurch, dass festverzinste Anlagen wie Tagesgelder oder Sparbücher bei fallenden Zinsen unattraktiver werden, suchen Anleger nach renditestarken Alternativen. Aktien sind dabei eine interessante Option. Wenn mehr Geld in den Aktienmarkt fließt, folgen in der Regel höhere Kurse.
3. Auswirkung von sinkenden Zinsen auf Anleihen
Auf Anleihen haben fallende Zinsen dagegen eher negative Auswirkungen. Wenn die Zinsen fallen, steigen der Preis (und der Kurs) einer Anleihe. Das liegt daran, dass bestehende Anleihen mit attraktiven Kupons (festgelegte Zinszahlungen) in Zeiten von sinkenden Zinsen interessanter werden.
Anleger, die in Anleihen investieren, sind also dazu bereit, mehr Geld zu zahlen, um sich die höheren Kupons zu sichern. Die steigenden Preise für Anleihen sorgen bei einer gleichbleibenden Zinszahlung dafür, dass die Renditen von Anleihen insgesamt zurückgehen.
Unternehmen (Unternehmensanleihen) und Länder (Staatsanleihen) können sich durch fallende Zinsen günstiger Geld von der Europäischen Zentralbank und auch am Kapitalmarkt leihen.
Neu ausgegebene Anleihen werden von Unternehmen und Staaten also mit niedrigeren Zinsen ausgegeben, was die Attraktivität von neuen Anleihen für Anleger reduziert und die Preise von bestehenden Anleihen weiter in die Höhe treibt.
Wer Anleihen kaufen will, sollte dafür am besten ein Depot bei einer Direktbank eröffnen. Hierfür empfehlen wir Comdirect oder Consorsbank. Seit September 2023 ermöglicht auch Trade Republic den Handel mit Anleihen. Wenn du dich an Anleihen langsam heranwagen möchtest und dabei von niedrigen Handelskosten profitieren möchtest, ist ein Trade Republic Depot für dich eine gute Option.
4. Auswirkung von fallenden Zinsen auf Baufinanzierungen und andere Kredite
Für Kreditnehmer sind fallende Zinsen eine positive Entwicklung. Zwar bekommst du weniger Zinsen auf dein Erspartes. Dafür wird es auch günstiger – und damit attraktiver – Kredite jeglicher Art aufzunehmen.
Schließlich sinkt bei niedrigeren Zinsen auch die monatliche Zinsrate, die für Autokredite, Minikredite oder Ratenkredite anfällt. Wenn du als Anleger also die Möglichkeit hast, mit der Kreditaufnahme zu warten, kannst du auf weiter fallende Zinsen spekulieren.
Je höher die Summe ist, die du per Kredit aufnimmst, desto größer sind die Auswirkungen von fallenden Zinsen. Dementsprechend hat die Zinsentwicklung auch direkte Auswirkungen auf den Immobilienmarkt.
Wenn die Nachfrage nach Immobilien durch teure Kredite gesunken ist, sinken mittelfristig auch die Kaufkosten für Wohnungen und Häuser. Wenn die Zinsen dann sinken, werden Kredite günstiger und die Nachfrage nach Immobilien steigt wieder an. Du leihst dir zwar günstiger Geld, zahlst allerdings mehr Geld für die Immobilie.
Auf 10-Jahres-Sicht sind die Bauzinsen mit Werten zwischen 3,0 und 3,5 Prozent im Sommer 2024 trotzdem noch sechs bis sieben Mal so wie im Sommer 2019 als der Zinssatz bei gerade einmal 0,5 Prozent lag. Auch im Vergleich zum Jahr 2014 sind die aktuellen Zinsen immer noch fast doppelt so hoch. Die Entspannung tritt also nur langsam ein.
Die für dich beste Baufinanzierung findest du bequem über unseren interaktiven Vergleichsrechner für Baufinanzierungen.
5. Auswirkung von sinkenden Zinsen auf den Goldpreis
Gold gewinnt in Zeiten von fallenden Zinsen an Bedeutung. Der Grund: Wenn die Zinsen sinken oder auf einem niedrigen Niveau angekommen sind, steigt die Wahrscheinlichkeit einer höheren Inflation. Um der Entwertung des eigenen Geldes entgegenzuwirken, setzen einige Anleger auf Gold (oder Bitcoin) als Möglichkeit, sich abzusichern.
Wenn also der Leitzins sinkt und die Inflation wieder zunimmt, steigt der Goldpreis. Insbesondere in wirtschaftlich angespannten und unsicheren Zeiten, die durch Kriege und hohe Energiekosten geprägt sind, ist Gold ein sicheres Investment.
Die Goldpreisentwicklung zeigt deutlich, dass der Markt sich auf fallende Zinsen vorbereitet und allgemein ein hohes Maß an Unsicherheit herrscht. Im Zeitraum von Juni 2023 bis Juli 2023 hat der Goldpreis um 20 Prozent auf 2.145 Euro je Feinunze zugenommen. Zwischenzeitlich lag der Goldpreis im Frühjahr 2024 sogar schon auf einem Allzeithoch mit 2.245 Euro je Feinunze.
Ein interessanter Nebeneffekt: Auch Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum folgen ähnlichen Kursschwankungen wie Gold, wobei die Volatilität am Kryptomarkt grundsätzlich viel höher ist als bei Aktien oder Gold.
6. Auswirkung von fallenden Zinsen auf die Inflation
Durch das Erhöhen und Senken der Zinsen regulieren große Zentralbanken wie die EZB in Europa oder die Federal Reserve Bank (FED) in den USA die Inflation. Um eine steigende oder bereits hohe Inflation einzubremsen, heben die Zentralbanken die Zinsen an. Wenn die Zinsen dann wieder fallen, sind die Notenbanken davon überzeugt, dass sie die Inflation so weit wie nötig eingedämmt haben.
Fallende Zinsen sorgen dafür, dass den Verbrauchern mehr Geld bleibt und Kredite günstiger werden (siehe 4.). Dadurch wird der Konsum angekurbelt, die Nachfrage steigt und die Einnahmen der Unternehmen wachsen. Um auf die gestiegene Nachfrage seitens der Kunden zu reagieren, investieren die Unternehmen ihre gestiegenen Gewinne, um ein größeres Angebot zu schaffen. Das wirtschaftliche Wachstum steigt an.
7. Auswirkung von sinkenden Zinsen auf die persönliche Kaufkraft
Wir haben in unserer Analyse festgestellt, dass fallende Zinsen unterschiedliche Auswirkungen auf deine persönliche Kaufkraft haben.
Einerseits gibt es positive Effekte. Dazu gehört, dass es günstiger wird, Kredite aufzunehmen und somit werden wieder größere Investitionen getätigt. Zudem bedeuten fallende Zinsen, dass die Inflation im Vorfeld gesunken sein muss.
Andererseits gibt es für Sparer und Anleger auch negative Effekte. Die Zinsen auf Tagesgeldkonten, Sparbücher und andere festverzinste Produkte sinken. Damit wird es schwieriger, mit risikoarmen Geldanlageformen hohe Renditen zu erzielen. Der Aktienmarkt wird dann wieder spannender.
Wie groß der Kaufkraftverlust tatsächlich ausfällt, kannst du berechnen, indem du den Realzins ermittelst. Dafür rechnest du einfach deine Zinsen minus die aktuelle Inflation. Mit dem Realzins kannst du also ermitteln, ob deine erzielte Rendite genügt, um die aktuelle Inflation auszugleichen oder ob dein Geld an Wert verliert.
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